Schwefel-Hexafluorid, kurz SF₆, ist eine chemische anorganische Verbindung, die farb- und geruchlos, weder giftig noch brennbar ist. Das Gas ist äußerst reaktionsträge. Entweicht es, verweilt es bis zu 3.200 Jahre in der Atmosphäre. Zudem ist SF₆ zirka 23.500-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Mit anderen Stoffen reagiert es kaum und kann (durch die Verdrängung anderer Stoffe, wie Luft) chemische Reaktionen verhindern. Diese isolierende Eigenschaft macht es wertvoll für die Industrie.
SF₆ isoliert die stromführenden Teile in den Schaltanlagen, in denen die elektrische Energie verteilt wird, die vom Generator erzeugt wurde. Sie sind vor allem dort praktisch, wo wenig Platz ist, wie im Turm einer Windkraftanlage. SF₆ verbleibt in den Schaltanlagen in einem geschlossenen System; das Entweichen des Gases wird beim Befüllen, Nutzen und Recyclen verhindert. Der Wissenschaftler Stefan Holzheu weist auf Twitter darauf hin, dass selbst dann, wenn die 3 kg SF₆ einer Windkraftanlage vollständig entweichen, aufs Jahr gerechnet eine Klimabelastung von 3,4 Tonnen CO₂-Äquivalenten entstünde, die immer noch den 10.000 Tonnen CO₂ gegenübersteht, die sie im selben Zeitraum vermeidet.0Berechnung: 3 kg SF6 * 22.800 CO₂e / 20 a = 3,4 t CO₂e/a, Moderne WEA mit 12.500.000 kWh/a * Fossilmix 0,8 kg CO₂e/kWh = 10.000 t CO₂/a Verbautes und chemisch-recyceltes SF₆ wird vom Hersteller genau dokumentiert und gemeldet.
Der Beitrag von SF₆-Gas am menschengemachten Klimawandel ist mit geschätzten 0,2 % sehr gering. Eingesetzt wird es beispielsweise zur Herstellung von Halbleitern oder in Teilchenbeschleunigern. Es kommt in Elektronenmikroskopen vor und wird bei medizinischen Untersuchungen gebraucht, ebenso zum Schalten und Isolieren in elektrischen Betriebsmitteln. Weitere Beispiele für den SF₆-Einsatz:
- Apparatebau
- optische Glasfasern, die SF₆ als Ätzgas verwenden
- Verwendung in militärischen Radarsystemen
- Display- und in der Mikrotechnik
- Halbleiterindustrie mit dem zweitgrößten Zuwachs
SF₆-Gas für elektrische Betriebsmittel macht zirka 15 Prozent aus, wovon Windkraftanlagen wiederum nur ein kleiner Teil sind.
Seit 2002 macht sich das Umweltbundesamt für ein SF₆-Gas-Verbot stark, zumal es theoretisch – laut Studien – Alternativen gibt. Seit 2015 gilt die aktuelle Fassung der F‑Gase-Verordnung der EU. Sie regelt die industrielle Nutzung von fluorierten Treibhausgasen (F-Gase). Ziel der Verordnung ist, die Emissionen von Gasen, wie SF₆, bis 2030 stark zu reduzieren (um 70 % gegenüber dem Jahr 1990). Die F-Gase-Verordnung gilt für alle EU-Mitgliedsstaaten und soll eine kohlenstoffarme Wirtschaft fördern. Die EU sieht in einem aktuellen Verordnungsentwurf vor, dass SF₆ ab 2030 nicht mehr in Schaltanlagen verwendet werden soll. Diese Übergangsfrist gibt Zeit, auf Alternativen umzustellen zu können.
Die Hersteller der Schaltanlagen sind auf der Suche nach Alternativen zum Einsatz von SF₆. In den vergangenen Jahren umgesetzte Pilotprojekte sind vielversprechend. Die Zeit bis zur abschließenden Marktreife dieser Alternativen gilt es möglichst kurz zu halten. Die Produzenten von SF₆ haben sich im Jahr 2005 zur Reduzierung von SF₆ selbstverpflichtet. Als direktes Resultat ist die Menge der SF₆ Emissionen deutlich gesunken und nimmt auch weiterhin kontinuierlich ab; von 50 metrischen Tonnen im Jahr 1998 auf weniger als zehn im Jahr 2020. Einige Hersteller haben die Produktion von Vakuumschaltanlagen bereits aufgenommen, die jedoch noch nicht für alle Spannungsebenen verfügbar sind. Laut einer Pressemitteilung von Siemens Gamesa, Hersteller von Windkraftanlagen, will das Unternehmen bis 2030 komplett auf SF₆ verzichten.
Noch im laufenden Jahr bis 2024 wird Siemens unserer Tochtergesellschaft Netze BW für den Spannungsbereich 10 und 20 kV SF₆-freie Anlagen für Ortsnetzstationen zur Verfügung stellen. Die Netze BW testet diese Anlagen auf der Ebene des Verteilnetzes. Für Windkraftanlagen setzt die EnBW – je nach Spannung des untergelagerten Netzes – 20 oder 30 kV Anlagen ein. Diese stellte Siemens in den nächsten Jahren in Aussicht.
Mit Spannung verfolgen wir bei der Projektumsetzung die Entwicklung von SF₆-freien Schaltanlagen. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zu einem nachhaltigeren Betrieb unserer Windkraftanlagen. Damit leisten wir einen weiteren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.